Leseprobe:

 

Erinnert Ihr Euch an das Olf und an Florinde? An das Olf: nicht Mensch, nicht Tier, etwas größer als ein hochgewachsener Mann, sein Körper rundlich und mit seidig glänzendem, weichen, lila Fell bedeckt? Mit einem netten Gesicht, einen milden Blick, sehr kurzen Beinen, aber dafür fast riesigen Füßen? Das jedem Kind genau die Geschichte erzählen konnte, die es in diesem Moment brauchte und dabei seinen Geruch und die Farbe verändern konnte? Klar, wie könnte man das Olf vergessen!

 

Dann erinnert ihr Euch sicher auch an Florinde, die alle nur Floh riefen. Floh mit H wie das Tier, weil sie klein war und ziemlich lange Beine hatte. Das machte sie sehr traurig, sie hieß doch Flo-rinde, Flo ohne H und sie war doch mehr, mehr als nur klein mit langen Beinen. Florinde half dem Olf, seine Geschichtenverstopfung los zu werden. Die das Olf bekam, weil alle Kinder nur noch ein und die selbe Geschichte hören wollten. Die Geschichten für jedes einzelne Kind entstanden weiter im Olf, da sie aber nicht erzählt wurden, sammelten sie sich, so lange, bis sie das Olf verstopften und es keine Geschichte mehr erzählen konnte. Alle angesammelten Gerüche ließen das Olf stinken, und alle angesammelten Farben machten sein Fell grau. Lange, sehr lange Zeit blieb es einsam und traurig in einer Höhle im Wald, weit von den Menschen. Es wusste nicht, was mit ihm fehlte, bis eines regnerischen Tages Florinde Unterschlupf in der Höhle des Olfs fand. Die beiden freundeten sich an, das Olf erzählte, was ihm geschehen war.

 

 

Florinde sagte aufgeregt: „Du hast eine Geschichtenverstopfung, all die Geschichten, Gerüche und Farben müssen aus dir raus.“ „Na klar, die Geschichten müssen raus, ich muss sie erzählen!“ entgegnete das Olf. Eilig setzte sich Florinde zurecht, auf die Beine des Olf´s, das Gesicht ihm zugewandt, den Rücken gegen seine großen Füße gelehnt. Sie saß weich und gemütlich wie in einem großen Sessel. Das Olf legte seinen Arm so ab, dass sein langes dichtes Arm-Fell Florinde zudeckte. Sie sprach leise. „So, nun erzähl mir meine Geschichte!“ Es war ganz still, das Olf schloss seine Augen und horchte in sich hinein. Ja, da war sie, Florindes Geschichte, ganz schwach fühlte das Olf sie entstehen und begann zu erzählen: „Es war einmal ein Floh mit Namen Flohrian, mit H.“ Florinde grinste und kuschelte sich gemütlich ein. Mit jedem Satz sah das Olf die Geschichte deutlicher, und es wurde selbstbewusster beim Erzählen.

 

 

 

Flohrian war ein ganz normaler Floh: mit genau 2,5 Millimeter nicht zu groß, nicht zu klein, er war mittelbraun gefärbt, nicht zu hell und nicht zu dunkel. Seine vier Arme waren gleichlang und seine zwei Beine kräftig und lang, ganz so wie es bei einem Floh sein muss, alles ganz normal. Es gab nichts, was ihn besonders machte. Nun müsst ihr wissen, es gibt nichts Schlimmeres für einen Floh als ganz normal zu sein. Denn Flohrian hatte 234 Geschwister, was für Flöhe nicht ungewöhnlich ist. Wer da nicht etwas Besonderes an sich hatte, wurde einfach übersehen. Seine Eltern nannten alle Kinder, die keine besonderen Merkmale hatten, Flohrian. Das war sehr praktisch, denn voneinander unterscheiden konnten sie die 126 Flohriane nicht. Aber wer möchte einer von 126 Flohrianen sein. Gut, es wohnten nur noch 63 zu Hause, die anderen waren schon älter, ausgezogen und hatten eigene Familien gegründet. Aber 63 Geschwister, die genau so aussehen wie man selbst, reichen, um nicht wahrgenommen zu werden. Als wäre das nicht genug, ärgerten die Geschwister, die einen eigenen Namen hatten, alle Flohriane und behandelten sie hochnäsig, von oben herab. Merkwürdig war, dass den anderen Flohrianen das nichts auszumachen schien, nur diesem einen. Erst wurde er immer wütend auf seine Geschwister mit eigenem Namen und dann nach einer Weile sehr, sehr traurig. „Wie einsam man sich fühlen kann, unter so vielen Geschwistern“, dachte er.

 

Flohrians Familie wohnte auf einem Rauhaardackel namens Walter, der einer netten, alten Dame gehörte.

 

 

Auf dem Bauch des Dackels, auf einer nicht so dicht mit Fell bewachsenen Stelle, stand sein Elternhaus. Flöhe sind so klein, dass ihnen ein Haar erscheint, als wäre es ein dünner Baum, das aber so lang ist, wie der höchste Baum nicht wachsen kann. Für Flöhe ist es so, als wohnen sie in einem riesigen dichtbewachsenen Wald, der aber nicht grün ist, sondern je nach Fellfarbe des Hundes schwarz, weiß, grau, alle möglichen Arten von braun, einfarbig, mehrfarbig oder gemustert. Das Haus, in dem Flohrians Familie wohnte, war ganz aus Haaren gebaut. Ausgefallene oder abgeknickte Haare werden in gleichlange Stücke geteilt und aufeinander geschichtet, wie eine Blockhütte aus Holzstämmen. Überhaupt wurde alles, was ein Floh zum Leben braucht, aus Haaren gefertigt. Flohrians Elternhaus hatte 12 Kinderzimmer, in jedem schliefen 10 Geschwister. Es gab ein Elternschlafzimmer, ein Esszimmer, in dem 142 Flöhe Platz fanden, 6 Badezimmer und eine sehr große Küche mit riesigen Töpfen und Pfannen. Auch gab es 4 Klassenzimmer, denn Florian und seine Geschwister gingen nicht zur Schule, sondern jeden Schultag kamen 4 Lehrer, zum Unterrichten, zu ihnen. Es gibt viel, was ein Floh lernen muss, zum Beispiel: Haarverarbeitung. In diesem Fach lernt man, aus welchen Haaren welcher Gegenstand gefertigt werden kann, denn Hundehaare unterscheiden sich in ihren Eigenschaften nicht nur von Rasse zu Rasse, sondern sogar von Hund zu Hund. In Hundekunde lernen Flöhe, alle Hunderassen der Welt zu unterscheiden. Das zu können, ist besonders wichtig, denn so wie wir mit dem Zug, mit Bus oder Straßenbahn fahren, benutzen Flöhe Hunde. Zum Beispiel Mutter Floh möchte einkaufen, der Supermarkt befindet sich auf Diva, einer vollschlanken, blonden Labradordame, die ein blaues Halsband trägt. Die Fortbewegung per Hund funktioniert so: Mutter Floh geht hinter das linke Ohr ihres Heimathundes, Walter, denn hinter dem linken Ohr eines jeden Hundes befindet sich ein Hundefahrplan, ein Wartehäuschen und eine Uhr.

 

 

Natürlich sind sie so klein, dass nur Flöhe sie sehen können. Auf dem Fahrplan ist dann, zum Beispiel, zu lesen:

 

9.20 Uhr / Diva, blonder Labrador, weibl., blaues Halsband

 

>Ziel: Supermarkt

 

umsteigen: 9.29 Uhr /auf Pia, schwarz-weiße französische Bulldogge, weibl., Glitzer -Halsband

 

>Ziel: Designer Bekleidungsgeschäft

 

umsteigen 9.43 Uhr / auf Rex, brauner          Dobermann männl., schwarzes Stachelhalsband

 

> Richtung: Baumarkt / noch 1x Umsteigen

 

 

 

9.28 Uhr/ Rocky, braun/schwarzer Schäferhund, männl., braunes Halsband/

 

>Ziel: Oma und Opa

 

Ist es 9.18 Uhr, begibt sich Mutter Floh zu Walters Nase und hält Ausschau. Wenn Diva nah genug ist, springt Frau Floh mit einem weiten Satz zu ihr herüber. Hops - ist sie beim Supermarkt. Flöhe können ohne Anstrengung 30cm weit springen. Erstaunlich! Das wäre so, als könntest Du über mehr als 30 Autos springen, die dicht hintereinander stehen. Auf der Nase von Diva kann Mutter Floh auf Pia umsteigen, um zum Designer-Bekleidungsgeschäft zu kommen. Oder auf Rex, um nach nochmaligen Umsteigen im Baumarkt einkaufen zu können.

 

So einen Hundefahrplan kann es nur geben, weil die Herrchen und Frauchen der Hunde, ihre Lieblinge eigentlich immer zu den gleichen Zeiten und an den selben Orten ausführen. Da das fast alle Hundebesitzer so machen, treffen sich eigentlich immer die selben Hunde zur selben Zeit.

 

Nun, bei solch einem Verkehrssystem könnt ihr Euch vorstellen, wie wichtig es ist, alle Hunderassen und deren Mischlinge genau zu kennen. Verwechselt ein Floh eine Hunderasse, steigt er falsch um, vielleicht auf einen Hund, der nur zu Besuch in der Gegend ist und - schwups, kommt er nie wieder zurück nach Hause. Deshalb werden Floh-Lehrer und -Eltern nicht müde, immer und immer wieder zu predigen: „Steigt nur auf, wenn ihr Euch ganz sicher seid, dass es der richtige Hund ist und niemals, wirklich nie-nie-mals auf einen Hund, der nicht im Fahrplan steht.

 

Und dann gab es da noch ein Fach, das Flohrian gar nicht mochte, Flohkunde: In diesem Fach werden die Gewohnheiten aller Floharten, die auch auf Hunden leben können, gelehrt. Das sind : Katzenfloh, Menschenfloh, Fuchsfloh, Vogelfloh, Kaninchenfloh, Rattenfloh und der Sandfloh. Das war ja noch ganz interessant, aber Flohrian musste auch alle Flöhe lernen, die irgendetwas besonderes an sich hatten oder etwas am allerbesten konnten, zum Beispiel: Martin Maulwurfsfloh, er war der größte, mit 4,5 Millimetern ein Riese. Heike Hufeisennasenfloh konnte am weitesten springen, fast einen ganzen Meter. Flohmutter, Elke, Eichhörnchenfloh hatte 400 Kinder, Flohrians Vater, Frank, kannte alle 2400 Floharten mit Namen. Oma Franziska war mit einem Jahr, sechs Monaten, 2 Wochen und 4 Tagen der älteste Floh, den es je gegeben hatte. Flohrians große Schwester, Frederike, hatte schon einmal 2 Monate gefastet, länger als jeder Floh vor ihr.

 

Und so ging es weiter und weiter.

 

Nach jeder Stunde Flohkunde wurde Flohrian traurig. „Ach könnte ich auch nur etwas von allen Flöhen am besten, dann wäre ich nicht ein Flohrian unter Hunderten, nein, dann wäre ich der eine Flohrian.“, „He da, Du Flohrian da, los geh beiseite, lass uns durch!“ Sein Bruder Falco schubste ihn so heftig, dass er zu Boden fiel. „Na schaut Euch den an, das ist schon ein richtiger Flohrian!“ spottete seine Schwester Frauke. Beide gingen lachend weiter und ließen Flohrian am Boden liegen. Er sprang auf, unterdrückte seine Tränen und rief: „So, das reicht! Ich werde euch zeigen wer ich, Flohrian, bin!“ Falco und Frauke drehten sich zu ihm um. „ Ach ja, wer bist du denn, was kannst du denn?“ fragte Frauke hämisch. Dann wurde es ganz still. Flohrian hörte sein Herz wütend klopfen. „Ich werde weggehen und erst wieder kommen, wenn ich der Beste bin. Ich weiß noch nicht worin, aber ich werde es schaffen, ihr werdet schon sehen!“ Das hätte er mit fester Stimme rufen wollen. Aber er sagte nichts. Mit gesenktem Kopf stand er da. Als seine Geschwister merkten, dass Flohrian nicht antworten würde, gingen sie tuschelnd weiter. Noch eine Weile blieb Flohrian stehen. Alle möglichen Gedanken sausten in seinem Kopf wild umher, bis sie sich zu einem Entschluss ordneten. „Ich werde weggehen und erst wieder kommen, wenn ich der Beste bin. Ich weiß noch nicht worin, aber ich werde es schaffen. Ich bin Flohrian, der eine Flohrian.“ Wortlos packte er einige Sachen, sprach mit niemandem, sah niemanden an. Entschlossen ging er zu Walters linkem Ohr und studierte den Fahrplan.

 

Wo sollte er sein Glück versuchen? An allen Orten, die man mit Hilfe dieses Fahrplanes erreichen konnte, war er schon einmal. Wie er dort etwas Besonderes lernen sollte, wusste er nicht. „Aufgeben gilt nicht!“ sagte sich Flohrian, ging auf Walters Nase und schaute sich um. „Schlechter Zeitpunkt, die Welt zu erobern!“ Walter lag in seinem Körbchen und schlief. Flohrian ging zum Wartehäuschen, hinter Walters linkes Ohr. Die Uhr, die über dem Fahrplan hing, zeigte 13.02 Uhr. In diesem Moment erwachte Walter, gähnte, streckte alle Glieder und sprang auf, pünktlich zum Nachmittagsspaziergang. Flohrian setzte sich auf Walters Nase. Nach dem Anleinen ging es aus der Wohnung, aus dem Haus, auf die Straße, die Straße entlang, bis zur Kreuzung mit Fußgängerampel. Es war Rot, Walter blieb stehen. Auf der anderen Straßenseite sah Fohrian einen Hund, so einen hatte er noch nie gesehen. Er war groß, ganz schlank, hatte sehr lange Beine, einen schmalen Kopf, der fast zu klein für seinen Körper wirkte. Sein Schwanz war lang und gebogen, das Fell sehr kurz, glatt und dunkelgrau, es glänzte seidig. Er trug ein sehr breites mittelbraunes Lederhalsband.

 

 

Die Ampel sprang auf grün. Dieser Hund sah nicht nur so aus, er bewegte sich auch sehr elegant. Er kam näher und näher. „Jetzt oder nie!“ Flohrian sprang mit einem großen Satz auf den Kopf des Hundes hinüber.

 

 

 

Kaum gelandet, kamen ihm die mahnenden Worte seiner Eltern und Lehrer in den Kopf: „ …niemals, wirklich nie-nie-mals steigt auf einen Hund, der nicht im Fahrplan steht... Vielleicht kommt ihr nie mehr zurück !“ Flohrian eilte zum Fahrplan dieses Hundes. Nicht einen ihm bekannten Namen konnte er lesen. Das hieß, er wusste den Weg nach Hause nicht. Schnell zurück, hops, auf die Nase. Es war zu spät, Walter war schon zu weit entfernt. Soweit hätte selbst der beste Floh nicht springen können. „Ja richtig, der Beste, ich wollte doch der Beste werden!“ sprach sich Flohrian Mut zu und machte sich auf, den unbekannten Hund zu erkunden. Sollte er nichts Interessantes entdecken, wäre seine nächste Umsteigemöglichkeit in einer Stunde. Merkwürdig war, dass es auf dem Fahrplan zur selben Zeit 9 eingetragene Umsteigemöglichkeit gab, aber ohne Namens- oder Rassenbezeichnung, da stand nur „alle Richtungen“ und als Ziel „Windklettern“.

 

 

 

Nach einer Stunde war Flohrian wieder zurück am Hundefahrplan, er hatte nichts gefunden, was näher untersucht werden musste. Es gab keine Häuser, dieser Hund war wohl unbewohnt. Von der Nase aus konnte Flohrian 9 Hunde sehen, die anscheinend der gleichen Rasse angehörten wie sein derzeitiger Aufenthaltshund. Diese wurden nacheinander in enge Boxen geführt, die sich in einer Reihe dicht nebeneinander angeordnet auf einem großen Gras bedecktem Platz befanden. Nun war Flohrians Hund an der Reihe, der war ganz aufgeregt, bellte und tänzelte herum. In der Box war es dunkel, aber das beruhigte seinen Hund nicht, im Gegenteil. Plötzlich, mit einem lauten Schlag, wurde es hell. Sein Hund rannte los, so überraschend und schnell, dass Flohrian sich nicht halten konnte. Er fiel, rappelte sich aber gleich wieder auf. Der Hund rannte inzwischen so schnell, dass der entgegen strömende Wind wie ein starker Sturm auf Flohrian wirkte. Vergeblich versuchte er sich festzuhalten. Der Wind blies ihn auf den Rücken des Hundes, dort bekam er ein Haar zu fassen. Das peitschte hin und her. Flohrian hatte Mühe sich festzuhalten. Der Hund rannte schneller, der Wind wurde noch stärker und riss Flohrian mit sich. Am Schwanz des Hundes packte Flohrinan ein Haar an seiner Spitze und zog seinen Körper dicht heran, mit den Beinen wollte er das Haar umklammern. Aber das Haar bot einfach keinen Halt. Der Sturm zog und rüttelte an seinem Körper, seine Beine lösten sich. Jeden Moment würde der Wind Flohrian wieder mit sich reißen. Da hörte er unter sich eine Stimme rufen „Hake je einen Fuß um die Haare hinter Dir! Halte dich mit den Armen an zwei Haaren fest, so wie ich, leg Dich in den Wind!“ Flohrian schaute nach unten, dort befand ein Floh. Der hielt sich genau senkrecht zwischen 4 Haaren fest, genau in Windrichtung.

 

 

 

 

Schnell hakte Flohrian seine Füße um zwei Haare hinter sich und mit seinen linken und rechten Händen packte er je ein Haar. In dieser Position bot sein Körper dem Sturm nur wenig Angriffsfläche. So konnte er sich gut halten, aber er schwankte wild, nach vorn, nach hinten zu den Seiten. „Komm runter, Stück für Stück, immer nur einen Fuß oder einen Arm lösen, abwechselnd!“ hörte er die Stimme rufen. Weiter unten wurde es tatsächlich ruhiger. Als Flohrian dicht über dem anderen Floh war, kletterte der bis ganz nach unten. Flohrian folgte ihm, unten angekommen, konzentrierte er sich, mit geschlossenen Augen darauf, nicht loszulassen. Er wünschte mit aller Kraft, der Sturm möge bald aufhören. „Es ist gleich vorbei, nur noch einen Moment!“ ermutigte ihn die Stimme. Und wirklich: mit einem Mal totale Windstille, nicht ein Lüftchen, als wäre nie etwas gewesen. „Was war denn das, so was habe ich ja noch nie erlebt!“ rief Flohrian verwundert, als er wieder fest auf seinen Füßen stand. „Das war ein Windhunderennen. Du befindest Dich auf „Velvet vom Buchwald“, einem echten Windhund-Weltmeister. Der ist so schnell wie kein anderer!“ erklärte der Floh stolz. „Ein Windhund, Windhunderennen.“ erwiderte Flohrian etwas ungläubig. „Ich bin Veit Vogelfloh, der beste Windkletterer unter den Flöhen.“ Veit steckte seine Hand zur Begrüßung aus. „Windklettern? Davon habe ich noch nie gehört.“ Flohrian schüttelte Veits Hand. „Windklettern, genau das haben wir gerade - gewindklettert, macht nur so richtig auf einem schnellen Windhund Spaß. Alles unter 70 Kilometer in der Stunde ist Pipifax. Für einen Anfänger hast Du Dich gut geschlagen.“ Veit legte einen Arm um Flohrian. „Wie gut, dass ich in der Nähe war und Dir helfen konnte.“ „Ich dachte, auf diesem Hund lebt niemand.“ antwortete Flohrian. „Ich komme nur zum Windklettern hier her, es macht so viel Spaß. „Spaß?! Ich hatte einfach nur Angst.“ sagte Flohrian überrascht. „Daran gewöhnt man sich mit der Zeit. Nachher gibt es ein zweites Hunderennen, du wirst sehen, da geht es schon besser.“ Flohrian antwortete aufgeregt „Nein, danke, auf keinen Fall, nicht noch einmal, ich muss dringend auf einen anderen Hund.“ Und er eilte los in Richtung Hundefahrplan. „Schade, ich hätte Dir eine Menge beibringen können!“ rief Veit Flohrian nach. Der drehte sich um: „Warum soll ich etwas lernen, wenn ich doch nicht der Beste werden kann. Du bist doch schon der Beste!“ „Wie heißt Du?“ fragte Veit. „Das ist doch nicht wichtig.“ erwiderte Flohrian im Weiterlaufen. „Sag schon!“ rief Veit laut, „Ich bin nur ein Flohrian!“ konnte er gerade noch hören.

 

 

Flohrian hatte Glück. Die nächste Umsteigemöglichkeit war kein Windhund:

 

 

 

16.15Uhr /Balu, schwarzer Neufundländer, männl. neongelbes Hundegeschirr /

 

> Ziel Freibad

 

Neufundländer, die Rasse kenn´ ich. Das ist gut. Die können auf keinen Fall so schnell rennen wie Windhunde. Aber was ist Freibad ? Na, egal, Hauptsache kein Windhund.“ Die Zeit bis Balu in Sprungnähe kommen würde, nutze Flohrian zum Ausruhen. Er legte sich im Wartehäuschen auf die Bank. „Windklettern – verrückt! Was Flöhen so alles einfällt!“ sagte er erleichtert in dem Wissen, bald auf einem anderen Hund zu sein.

 

Als Florian sich auf der Nase des Windhundes bereitmachte, sah er auch schon Balu kommen. Er war ein Hund, groß und stämmig, besonders kräftig gebaut, mit dunklem, mittellangen und sehr dichten Fell. Flohrian konnte es kaum abwarten. Mit einem hohen Sprung landete er auf Balu. Sehr erleichtert streifte er eine Weile umher. Dann setzte er sich, um etwas zu rasten und lehnte sich gegen ein kräftiges Haar. „Nanu“, wunderte sich Flohrian, „es ist ja ganz nass“, er sprang auf. Schon reichte ihm das Wasser bis an die Knöchel. Einen Augenblick später bis an die Knie. Das Wasser stieg so schnell, er konnte gar keinen klaren Gedanken fassen. Als das Wasser bis an die Oberschenkel reichte, war die Strömung so stark, dass er mitgerissen wurde. Wie die meisten Flöhe konnte Florian nicht schwimmen. Sein Heimathund, Walter, mochte kein Wasser. Flohrian strampelte wild mit seinen Beinen und allen Armen. Er versuchte, sich irgendwo festzuhalten, aber er bekam nichts zu fassen.

 

 

 

 

Da sah er in einiger Entfernung einen kleinen Hügel aus dem Wasser ragen, auf dem standen einige Flöhe. Dorthin musste er sich retten, aber er konnte dem Sog des Wassers nicht entkommen.“Hilfe, Hilfe ich kann nicht schwimmen!“ schrie Flohrian, so laut er konnte. Einer der Flöhe sprang ins Wasser und rief „Du musst ganz ruhig bleiben, dreh dich auf den Rücken und rudere mit den Armen, abwechselnd, erst rechts dann links, mit den Beinen lenke auf mich zu! Ich komme und hole Dich!“ „Auf den Rücken drehen, wie?“ Flohrian strampelte hektisch. „Nicht überlegen, mach es einfach, ich bin gleich bei dir!“ Nach zwei Versuchen schaffte es Flohrian, er ruderte abwechselnd mit den rechten Armen und den linken Armen, mit den Beinen lenkte er. Das klappte ganz gut. Nach drei bis vier mal Armrudern, war er der Strömung entkommen. Da hörte Flohrian die Stimme ganz dicht neben sich: „Na, das klappt ja super, ich denke, du kannst nicht schwimmen. Schaffst du es bis zum Hügel?“ Flohrian drehte sich, um zu sehen, wie weit es noch ist, kam dabei aus dem Rhythmus, tauchte unter und schluckte Wasser. Hustend hob er den Kopf über Wasser und machte hektische Bewegungen. „Ganz ruhig, auf den Rücken drehen, mit den Armen rudern, links, rechts, links, rechts, und mit den Beinen steuern. Ja genau so, und gleichmäßig atmen ein und aus und ein und aus, gut so.“ Diese Stimme strahlte so eine Ruhe aus, Flohrian verlor seine Angst und Hektik. Er tat was die Stimme ihm sagte. Er schwamm, ja, er schwamm, unglaublich.

 

 

 

Am Hügel angekommen, applaudierten die Flöhe, die das Geschehen gespannt beobachtet hatten.

 

Flohrian ließ sich erschöpft niederplumpsten. Die Flöhe umringten ihn und sein Retter setzte sich zu ihm. „Das hast du richtig gut gemacht.“ sagte er. „Vielen Dank, du hast mich gerettet, ohne Dich....“ „Dafür bin ich doch da“, fiel er Flohrian ins Wort. Einer der umstehenden Flöhe rief: „Das ist er, der weltbeste Schwimmer, Rettungsschwimmer und Schwimmlehrer: Raimund Rattenfloh!“

 

Ja,ja schon gut. Wolltet ihr nicht baden? Ab mit euch ins Wasser!“ Mit lautem ausgelassenen Geschrei stürzten sich die Flöhe ins Wasser. Raimund fragte: „Was machst du denn als Nichtschwimmer auf Balu?“ „Wo kam denn so plötzlich das ganze Wasser her?“ fragte Flohrian erstaunt, Raimund erklärte: „Balu ist ein Rettungsschwimmer-Hund und liebt das Wasser. Immer, wenn er Schwimmen oder das Retten übt und im Wasser ist, gibt es hier Wasser zum Baden.“ Jetzt ging Flohrian ein Licht auf. „ Ach deshalb steht im Fahrplan, bei Balu als Ziel ,Freibad`! Ich wusste nicht, dass es Flöhe gibt, die Spaß am Baden haben und schwimmen können.“ „Siehst du und du gehörst jetzt dazu.“ Raimund klopfte Flohrian anerkennend auf die Schulter. Er erhob sich und sprach: „So, nun muss ich aber mal nach dem Rechten sehen, nicht dass jemand zu weit raus schwimmt und in die Strömung gerät.“

 

Flohrian blieb sitzen und schaute zu, wie die Flöhe im Wasser tobten und Raimund am Rand des Wassers, aufmerksam schauend, auf und ab ging. „Rettungschwimmer-Hunde, Rettungsschwimmer-Flöhe, Flöhe, die baden. Verrückt!“ Eine ganze Weile saß Flohrian so da, bis er bemerkte, dass der Wasserspiegel ziemlich schnell sank. Alle Flöhe kamen aus dem Wasser und trockneten sich ab. Raimund sah auf seine Uhr und rief: „Achtung, alles festhalten, in 1,2,3, jetzt!“ Alle Flöhe klammerten sich an Haaren fest, nur Flohrian nicht. Er wusste nicht, was geschah.“ Balu schüttelt sich nach dem Schwimmen, halt dich fest!“ Und schon ging es los, wie das gewaltigste Erdbeben bewegte sich ringsum alles. Flohrian, fast automatisch nahm die Pose ein, die er von Veit gelernt hatte. Alle anderen Flöhe hielten sich nur an einem Haar fest und wurden ordentlich durchgeschüttelt. Nach ein Paar Sekunden war alles wieder ruhig. „Nicht schlecht deine Festhaltetechnik, die werden wir ab heute auch benutzen. Zeigst du sie uns noch einmal?“ Nachdem alle Flöhe die Windkletter-Pose richtig ausführen konnten, sagte Raimund: „Kommt, lasst uns gehen, unser Hund kommt gleich.“ Alle nahmen ihre Handtücher und gingen gemeinsam mit Flohrian zum Wartehäuschen. Flohrian studierte den Fahrplan. „Wo willst Du denn hin?“ fragte Raimund. „Egal, Hauptsache, es ist dort ruhig. Ein Hund, der keine Rennen läuft und keine Schwimmer rettet. Ein ganz normaler ruhiger Hund. Ich hatte genug Aufregung für einen Tag“, antwortete Flohrian. „Na dann empfehle ich dir Daisy, auf ihr hast du sehr viele Umsteigemöglichkeiten. Siehst du?“ Flohrian suchte. „Moment, Daisy, Daisy, ja, hier ist sie.“ Raimund sagte: „Wir müssen jetzt los, unser Hund kommt. Wirst du wieder herkommen? Ich kann dir noch mehr Schwimmstile beibringen, und du könntest Rettungsschwimmer werden.“ „Warum soll ich etwas lernen, wenn ich doch nicht der Beste werden kann. Du bist doch schon der Beste! Danke!“ Mit diesen Worten umarmte Flohrian Raimund. Einer der anderen Flöhe rief: „Raimund komm, unser Hund!“ Er lief los und fragte im Gehen: „Wie ist eigentlich dein Name?“ „Ich bin nur ein Flohrian.“ Flohrian winkte, so lange bis Raimund, als letzter von Balu sprang. Dann wandte er sich wieder dem Fahrplan zu.

 

 

Daisy ist eine Yorkshire-Terrier-Dame... Yorkshire-Terrier... ach, jetzt weiß ich wieder: Die sind nur so groß wie Walter, haben am Kopf langes bräunliches Fell und oft den Pony mit einer Schleife hochgebunden, und am Rücken ist das Fell stahlgrau. Ach ja, da steht es: Zopf mit Schleifchen und pinkfarbenen Halsband. Sehr gut, lange warten muss ich auch nicht, 5 Minuten.“

 

 

 

Flohrian musste weit springen und vor allem gut zielen, Daisy war klein und kam nicht sehr dicht an Balu heran. Aber der Sprung gelang, er landete genau auf Daisys Nase. „So, diesmal bleibe ich aber hier und schaue, was auf mich zukommt“, sagte er und setzte sich so, dass er weit in alle Richtungen blicken konnte. Daisy tollte im Hundepark, forderte Balu zum Spielen auf, schnüffelte mal hier, mal da, und begrüßte einige Hunde. Dann wurde Daisy hochgehoben und in eine kleine Tasche gesteckt, aus der nur ihr Kopf herausschaute. Flohrian dachte: „Wieso wird Daisy getragen? Sie kann doch laufen?“ Es ging aus dem Hundepark, eine lange Straße entlang, an Geschäften vorbei, rechts in eine kleine Gasse, in ein Einfamilienhaus. Dort wurde die Tasche abgestellt, und Daisy sprang heraus. Schnurstracks, lief sie zu ihrem Körbchen, kuschelte sich in ihre Decke und schlief schnell ein. Nun konnte auch Flohrian, beruhigt schlafen, er legte sich auf die Bank ins Wartehäuschen. „Was für ein verrückter Tag“, dachte er noch, bevor er erschöpft einschlief.

 

 

Am nächsten Tag erwachte Flohrian, erst als Daisy schon frühstückte. Beim Morgenspaziergang saß er wieder auf Daisy´s Nase. Nur um ihr Geschäft zu verrichten, wurde sie aus der Tasche gelassen. Dann wurde sie in einen Laden getragen, in dessen Schaufenster viele Fotos von Hunden zu sehen waren. Nun war Flohrian beruhigt. Was sollte hier schon geschehen, sicher kein Hunderennen, keine Hunderettungsschwimmer-Übung. Er machte sich auf, Daisy zu erkunden, vielleicht wohnte hier ja jemand. Was er nicht wusste, über der Tür des Ladens stand in großen Leuchtbuchstaben: HUNDEFRISEUR. An eine Friseurin abgegeben, wurde Daisy gleich in einer flachen Badewanne mit einer Handbrause abgeduscht. „Ach nein, nicht schon wieder Wasser!“ stöhnte Flohrian. Diesmal kam das Wasser von oben, es lief an den Haare herunter und stieg schnell. Flohrian konnte zwar schwimmen, aber etwas unheimlich war ihm das Wasser noch immer. Er wartete auf einer kleinen Erhebung ab, bis das Wasser verschwunden war. „Und was kommt jetzt?“ fragte sich Flohrian und machte sich schon mal bereit, sich festzuhalten. Aber nichts bewegte sich. Schüttelte sich Daisy gar nicht? Nein, statt dessen war ein unheimliches, sehr lautes, vibrierendes Geräusch zu hören. Dann brach ein warmer, fast heißer Sturm los. Flohrian wurde angst und bange, er klammerte sich, wie er es von Veit gelernt hatte, fest. Nachdem Daisy trocken geföhnt war, wurde sie parfümiert. Zuerst bemerkte Flohrian einen Nebel von oben herab schweben, der einen leichten Wohlgeruch verströmte. Schnell wurde der stärker und schließlich unerträglich intensiv. Es kratzte schrecklich im Hals, ein Husten überkam Flohrian und schüttelte ihn kräftig durch. Als der sich legte, atmete er tief ein und hielt die Luft an, lange, sehr lange. Ihm wurde schon etwas schwindlig, aber er widerstand dem Drang Atem zu holen. Als ihm fast schwarz vor Augen wurde, hatte sich der Nebel endlich verzogen. Flohrian japste heftig nach Luft. „Was war denn das?“ „Uralt Lavendel“, sagte eine Stimme hinter ihm. Flohrian drehte sich mit einem Ruck um. „Was?“ „Das Parfüm heißt Uralt Lavendel,“ antwortete ihm eine Flohdame. „Ich hörte dich husten und wollte schauen, ob dir etwas fehlt. Magda Menschenfloh - angenehm.“ „Danke, mir geht es gut. Parfüm - wozu Parfüm?“ wunderte sich Flohrian. „Ja, weißt du denn nicht, wo du hier bist?“ fragte Magda empört. Er zuckte mit den Schultern. In einem leicht überheblichen Tonfall erklärte sie: „Du hast die Ehre, auf „Daisy from Orlandy Happy Queen” zu verweilen, World Champion. Sie ist der schönste Hund der ganzen Welt. Morgen gehen wir auf eineHunderasseschau. Da mussten wir dringend vorher zum Friseur, waschen, föhnen, parfümieren. Damit das Fell noch seidiger wirkt und lieblich duftet. Wir gehen zwei Mal im Monat und vor jeder Schau.” “Lieblich duften ist gut - das stank ganz furchtbar und kratzte im Hals, ich habe so lange die Luft angehalten wie ein World Campion”, spottete Flohrian. “Ich bin auf Daisy aufgewachsen, meine Familie lebt seit Generationen hier und du glaubst, du kannst länger die Luft anhalten als ich?!” Magda klang empört. “Du lebst hier, ehrlich, wie hälst du das aus? Wasser, heißer Sturm stinkender Nebel?“ “Ganz einfach: beim Fellwaschen und -föhnen bleiben wir im Haus, das Parfüm dringt leider durch alle Ritzen, deshalb - Luftanhalten. Aber das muss man eben in kauf nehmen!” Magda tippte zweimal an Florians Stirn. “Warum ziehst du mit deiner Familie nicht um, auf einen Hund, auf dem es sich leichter lebt?” “Niemals! Wer wohnt schon auf „Daisy from Orlandy Happy Queen” - einem World Champion! Aber lenk nicht ab, zeig einmal deine Luftanhalte-Technik!” sagte Magda streng.

 

 

 

 

Das hab ich doch nicht ernst gemeint”, wollte Flohrian abwiegeln. Magda bestand darauf. Er holte einen großen Atemzug. “Das ist ja im Ansatz schon ganz falsch!” brach Magda Flohrians Luftanhalte-Versuch ab. "Die verbrauchte Luft muss doch erst einmal heraus, deshalb atmet man dreimal stoßweise aus, dann holt man tief Luft, der Rest ist reine Konzentration, um den Atemreflex zu überwinden. Ich könnte dich trainieren, von mir kannst du noch viel lernen.” Flohrian antwortete schnell: „Warum soll ich etwas lernen, wenn ich doch nicht der Beste werden kann. Du bist doch schon die Beste! Ich gehe lieber, ich passe nicht so recht hierher.” " Wünsch uns Glück für die morgige Hundeschau, auf dass wir erneut Champion werden! Wie ist eigentlich dein Name?” Flohrian war schon ein Stück entfernt, drehte sich nocheinmal um und rief. “Ich bin nur ein Flohrian, aber das ist doch nicht so wichtig.” “Namen sind das Wichtigste, vergiss nicht „Daisy from Orlandy Happy Queen”, World-Champion!” hörte er Magda ihm nachrufen. Er setzte sich ins Wartehäuschen. “Wenn ich meinen eigenen Namen habe und dann so bin wie Magda, na dann verzichte ich lieber!” Lange dachte Flohrian darüber nach und entschloß sich, einen Weg nach Hause zu suchen. Er studierte den Fahrplan, konnte aber keinen Hund finden, den er kannte.”Dann nehme ich den nächsten, den ich sehe”, sagte sich Flohrian entschlossen und setze sich auf Daisy´s Nase. Sie steckte schon wieder in der kleinen Tasche und war auf dem Weg vom Hundefriseur in ihr Zuhause. Flohrian konnte das Haus schon fast sehen, aber bis jetzt begegnete ihm kein einziger Hund.

 

 

Endlich überholte ihn ein kleiner quirliger. “Das muss ein Jack-Russell-Terrier sein, ungefähr so klein wie ein Dackel, kurzes weißes Fell, große braune Flecken auf dem Rücken und einen im Gesicht, ja Jack Russell”, erinnerte sich Flohrian.

 

 

Ohne lange zu überlegen, sprang er und landete auf dem Rücken des Hundes. Er landete aber nicht irgendwo, sondern vor einem großen bunten Zelt. ,Flohzirkus Pulex´ blinkte in großen Buchstaben über dem Zelteingang, der offen stand. Zirkus, wie wunderbar - da wollte Flohrian immer schon einmal hin. Aus dem Zelt hörte er Musik. Er sah weit und breit nicht einen Floh. So ging er vorsichtig in das Zelt. Die Manege war hell erleuchtet, im Zeltdach funkelten Hunderte Sterne, ein Musiker saß auf einem Balkon und spielte Akkordeon. Aber das Beste war, der Jongleur in der Manege. Er ließ Bälle in der Luft tanzen, während er auf einer großen glizernden Kugel balancierte. Wie verzaubert schaute Florian ihm zu. Die Bälle wirbelten in der Luft, so schnell, dass er nicht erkennen konnte, wie das funktionierte, so schnell, dass er die Bälle nicht zählen konnte. Jetzt wechselten sie die Richtung, dann jonglierte der Artist nur mit seinen linken Händen, nun nur mit den rechten, überkreuz, Richtungswechsel, danach mit den unteren und dann mit den oberen Armen.

 

 

Flohrian konnte nicht anders, er applaudierte euphorisch. Die Musik verstummte. Der Jongleur sprang von der Kugel und fragte: “Wer ist da?” “Komm näher, ich kann dich nicht sehen, das Licht blendet.” Zögernd ging Flohrian an den Rand der Manege. ”Also? Wie heißt Du? Ich bin Sandro Sandfloh. Na, nicht so schüchtern!” Sandro ging auf Flohrian zu. Der antwortete: “Ich bin nur ein Flohrian.” “Aha, ein Flohrian, dich können wir hier gut brauchen, einer unserer Helfer hat sich verliebt und ist bei seiner Liebsten auf dem letzten Hund geblieben.” Auch wenn Flohrian nicht wusste, was da auf ihn zukommen würde, wußte er: hier gehörte er hin. Er nickte und fiel Sandro vor Freude um den Hals. “Na, doch nicht so schüchtern! Ein Florian!” sagte er lächelnd. Beide sahen sich in die Augen und lachten.

 

Flohrian fühlte sich so wohl im Zirkus, die Arbeit mache ihm Spaß, alle Zirkusflöhe nahmen ihn freundlich in ihrer Mitte auf. Der Zirkus blieb zwei Wochen auf einem Hund und spielte jeden Tag zwei Vorstellungen, am Wochenende drei. Kamen die Zirkusleute auf einen neuen Hund, bauten alle gemeinsam das Zelt auf. Flohrian verteilte Plakate und Werbezettel auf allen Hunden der Umgebung. Auf denen war ein großes Bild von Sandro Sandfloh, unter dessen Namen stand: ,Der weltbeste Jongleur, nur bei uns!' Vor den Vorstellungen saß Flohrian im Kassenhäuschen und verkaufte Eintrittskarten, in der Pause Süßigkeiten und Getränke im Zelt. Hatte er Freizeit, setzte er sich hinter das Zelt, wo ihn niemand sehen konnte und übte Bälle zu jonglieren. Am Anfang wollte er einfach nur wissen, wie schwer es war und wie es funktionierte. Es war schwieriger als es aussah, das musste Flohrian feststellen, als er beim ersten Probieren gleich mit sechs Bällen jonglieren wollte."Nagut, dann nehme ich fürs Erste zwei Bälle", sagte er und ja, nach einigen Malen des vergeblichen Probierens, klappte es doch. "Ob ich das auch mit drei Bällen schaffe?" Flohrian übte so lange, bis er es konnte. Er hatte so viel Spaß daran, dass er oft die Zeit vergaß und erst aufhörte wenn ihn jemand rief.

 

Nach einigen Monaten konnte Flohrian mit sechs Bällen jonglieren, da fragte er sich: "Kann ich das auch mit anderen Sachen?" Er begann mit allem zu jonglieren, was er in die Hände bekam: Obst, Gemüse, Geschirr, Töpfe, Pfannen, Werkzeug, Bücher, Kissen, und und und.

 

Eines Tages überhörte Flohrian, dass jemand nach ihm rief, als er gerade übte, mit vier Tüchern zu jonglieren. Plötzlich stand Sandro neben ihm. "Wow, nicht schlecht, warum hast du nicht gesagt, dass du auch Jongleur bist?!" Verlegen antwortete Flohrian: "Ach, das ist doch nichts." "Wollen wir zusammen üben, ich kann dir bestimmt noch etwas Neues zeigen und du mir - mit Tüchern habe ich noch nie jongliert." "Flohrian überlegte: "Warum sollte ich allein üben, wenn ich vom Besten lernen kann - du bist der Beste!" platze es aus ihm heraus.

 

Von da an, probten die beiden gemeinsam. Schnell wurde Flohrian so gut, dass er mit Sandro zusammen auftrat. Bald war sein Bild mit auf den Plakaten. Erst ein kleines, nach einiger Zeit ein größeres Bild, unter dem sein Name stand. Aber das war gar nicht das Wichtigste - das Wichtigste war, dass er so viel Freude am Jonglieren hatte und an den Proben mit Sandro. So ging es einige Jahre. Bis Sando zu Flohrian sagte: "Nun, ich habe dich alles gelehrt, was ich kann. Es wird Zeit, dass du eine eigene Nummer entwickelst, eine Nummer ohne mich. Ich würde mich gern zur Ruhe setzen, jetzt, wo ich einen würdigen Nachfolger habe." Flohrian wurde traurig, aber er war auch stolz auf sich. Sandro hielt ihn für gutgenug, um sein Nachfolger zu werden - ihn - Flohrian, Florian Floh.

 

Beide überlegten, was Flohrian zeigen könnte. Es sollte eine spektakuläre, nie da gewesene Nummer werden. "Was hast du denn gelernt, bevor du zu uns, zum Zirkus gekommen bist?" fragte Sandro. Flohrian antwortete: "Mhhhh, gelernt habe ich nichts richtig, ich weiß, wie man windklettert, schwimmt und lange die Luft anhält. Aber was nutzt uns das?" Sandro überlegte eine Weile. "Ich habe eine Idee. Wenn du das hinbekommst, ist das die sagenhafteste Jongliernummer aller Zeiten, das gab es noch nie. Los, wir fangen gleich an."

 

Einige Monate Probenzeit brauchte es, bis Flohrians Nummer bereit war, gezeigt zu werden. Ins Programm kam sie nur, wenn der Zirkusdirektor sie für gut genug hielt. Nun war er da, der Tag, an dem der Direktor sein Urteil abgeben sollte. Auf den Zuschauerplätzen saßen, ganz vorn der Direktor und Sandro, dahinter alle Artisten und alle Helfer des Zirkus. Flohrian war sehr aufgeregt, freute sich aber auch nach so langer Arbeit, seine erste eigene Nummer zeigen zu können. In der Manege ganz hinten waren vier dünnere Haare aufgestellte, die bis dicht unter das Zeltdach reichten und in der Mitte ein großes durchsichtiges Wasserbecken. Zuerst zeigte Florian alle Höhepunkte, die Sandro schon in seiner Nummer hatte. Aber dann, mit einem Trommelwirbel, wurde Flohrians Höhepunkt der Darbietung angekündigt. Während er mit zwei Armen jonglierte, nahm er an den Haaren die Windklettererpose ein. Dann kletterte er nach oben, Stück für Stück, höher und höher. Je höher er kam, um so mehr schwankte es, und um so schwieriger wurde es, die Bälle in der Luft zu halten. Als er ganz oben war, fing er alle Bälle auf. Es gab einen Tusch, dann wieder Trommelwirbel. Flohrian hielt sich nun, nur noch an zwei Haaren fest, richtete sich langsam zum Handstand auf, warf die Bälle ins Wasserbecken und sprang mit einem Salto hinterher. Tusch, Musik. Im Becken schwamm er in Rückenlage und sammelte die Bälle ein. Sobald er zwei zu fassen bekam, begann er sie zu jonglieren. Dann kam ein Ball dazu, dann zwei - bis er sie alle durch die Luft wirbelte. Die Bälle tanzen förmlich, in Rythmus und Geschwindigkeit der Musik folgend. Er schwamm in die Mitte des Beckens, fing wieder die Bälle auf - Tusch und Trommelwirbel.

 

Flohrian atmete dreimal ruckartig aus, nahm einen riesigen Atemzug und tauchte unter. Am Boden des Beckens gab es zwei Schlaufen, in die er seine Füße steckte. Das Wasser reichte ihm nun fast bis über den Kopf. Fast ganz unter Wasser begann er, wirklich, 8 Bälle, kunstvoll in der Luft wirbeln zu lassen. Unglaublich lange - mit nur einem Atemzug. Um ein Vielfaches länger als es ein untrainierter Floh je könnte. Flohrian fing die Bälle auf, sprang mit einem Salto aus dem Becken und verbeugte sich. Und - Stille. Er schaute zu den Musikern, da der verabredete Tusch ausblieb. Die starrten ihn an.

 

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